Offener Brief vom StuRa der MLU und call me by my name

Diesen offenen Brief haben wir am 22.07.2022 von call me by my name zusammen mit dem Stura an das Rektorat und den damaligen Rektoren Christian Tietje geschickt:

An den Rektor und die Stabsstelle Vielfalt und Chancengleichheit, 

die Universität schmückt sich gerne damit, besonders LSBTIQ+ freundlich zu sein. Das zeigt sich zum Beispiel in dem Diversity-Statement des Senats (1), der Selbstauskunft für das LSBTIQ+ Campus Ranking (2) oder auch den Informationen zur „Vorgezogene[n] Namens- und Personenstandsänderung“ (3) für trans* Studierende und Beschäftigte. 

Eine unbürokratische Namensänderung für trans* Studierende ist sehr wichtig. Ein amtliches Verfahren nach dem sogenannten „Transsexuellengesetz“ (TSG) kostet zum einen mehrere tausend Euro – Geld, das Studierende und z.B. prekär angestellte Wissenschaftler*innen nicht einfach so aufbringen können. Zum anderen sind die begleitenden, verpflichteten psychologischen, d.h. psychopathologisierenden Gutachten oft übergriffig und (re)traumatisierend (4) Immer wieder wurden Paragraphen des TSG vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft, erst 2011 wurde die Sterilisationspflicht für trans* Personen aufgehoben, wenn sie ihren Namen und Personenstand über das TSG ändern wollten. Anscheinend sahen die Verantwortlichen in der Gesetzgebung jedoch nicht Grund genug, es ganz abzuschaffen, sondern nur diese Teile nicht mehr durchzusetzen. Im Gesetzestext stehen diese Paragraphen noch immer.

Die Universität verlangt von trans* Studierenden, dass sie dieses TSG-Verfahren beginnen und sich den finanziellen und psychischen Belastungen aussetzen. Und das wird wiederum als trans*freundlich dargestellt, denn es muss ja „nur“ begonnen sein, noch nicht beendet. 

Auch für inter* Personen gibt es die Möglichkeit, den Namen zu ändern, nämlich über §45b PstG. Das dafür notwendige medizinische Gutachten, das beweisen soll, dass eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ [sic] vorliegt, birgt wiederum das Risiko, übergriffigen Gutachter*innen ausgesetzt zu sein, was oft mit enormer psychischer Belastung einhergeht. Immerhin ist mit diesem Gutachten dann eine Änderung von Name und Personenstand beim Standesamt möglich – wenn diese denn das Gutachten anerkennen und mensch für die Person am Schalter „inter* genug“ aussieht.

Warum aber interessiert es die Universität überhaupt, ob wir uns diesen Verfahren aussetzen? Die Universität ist nicht verpflichtet, den Deadname von trans* und inter* Studierenden zu führen. (5) Die Studierenden sind durch Matrikelnummern eindeutig identifizierbar. Genauso wie in Mietverträgen, bei Krankenkassen, etc. selbstgewählte Namen rechtlich geltend sind (6), können sie das auch in der Universität sein. So geht es z.B. bereits an den folgenden Universitäten: Universität Regensburg, Universität Leipzig, Universität Heidelberg, Universität Bochum, Bergische Universität Wuppertal, Universität Kassel. Die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten (bukof) empfiehlt Universitäten zusätzlich, eine unbürokratische Namensänderung für trans* Studierende zu ermöglichen: „Ein Antrag auf Namensänderung kann jederzeit ohne Voraussetzung gestellt werden.“ (7)

Im Gespräch mit Martina Langnickel am 15. Februar 2022, wurde call me by my name nun allerdings gesagt, dass sie bereits mit vielen Mitgliedern der Universität und des Rektorats gesprochen hätte und die rechtliche Lage leider ein „Totschlagargument“ sei. Wie passt das zu den rechtlichen Gutachten und den Universitäten, die eine unbürokratische Namensänderung bereits ermöglichen? Call me by my name hat im Anschluss an das Gespräch diese Gutachten an Martina Langnickel geschickt und sie darum gebeten, aufzuschlüsseln, warum diese als nicht geltend angesehen werden. Auf die Mail von call me by my name vom 11. März 2022 gibt es bis heute (05.07.2022) keine Stellungnahme. 

Und auch für die Beschäftigten sieht es nur marginal besser aus: Der Senat hat zwar die Möglichkeit einer unbürokratischen Namensänderung veranlasst, jedoch lässt diese seit der geplanten Einführung im Dezember 2021 auf sich warten. Warum? Nun, die unbürokratische Namensänderung heißt in diesem Fall nicht, dass der in den universitären Systemen eingetragene Name geändert wird – sondern es soll den Datenbanken noch ein zusätzlicher Name hinzugefügt werden. Es sollen Deadname und tatsächlicher Name gleichzeitig geführt werden. Das ist nicht nötig, könnte doch einfach der Deadname überschrieben werden. Stattdessen soll das ITZ das Datenbanksystem und die darauf zugreifenden Abfragen ändern. Für das ohnehin unterbesetzte und unterfinanzierte ITZ keine leichte Aufgabe – weshalb das hier nicht geschieht und trans* und inter* Menschen weiterhin unter falschem Namen geführt werden. 

Diese technische Seite wurde von Martina Langnickel ebenfalls als „Totschlagargument“ betitelt. Es wirkt auch auf den ersten Blick so, dass es kaum für ein noch größeres Datenbanksystem der Studierenden umsetzbar ist, wenn es schon bei den Beschäftigten an Zeit und Geld mangelt. Aber diese technische Seite ist tatsächlich nur ein Problem, solange sich die Universität weiterhin an den Deadname und den falschen Geschlechtseintrag klammert. Dank der rechtlichen Gutachten und positiven Beispiele ist klar, dass es auch möglich ist, den Deadname endlich sterben zu lassen und nur den tatsächlichen Namen zu führen. Ähnlich wie bei trans* oder inter* Menschen, die sich dem TSG oder §45b PStG unterzogen haben – oder auch Menschen, die geheiratet haben, könnte der Name einfach umgeschrieben werden. 

Da die Universität so gerne öffentlich damit wirbt, wie LSBTIQ+ freundlich sie ist, bitten wir nun öffentlich um ein Statement, warum eine Namensänderung ohne Verfahren über §45b PStG oder das TSG, ohne Voraussetzungen nicht umgesetzt wird. Wir fragen ganz offen: Was ist das Problem? 

Studierendenrat der MLU                                                          Kollektiv call me by my name

Quellen:

(1) https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=58897&elem=3359966

(2) https://diskriminierungsschutz.uni-halle.de/lgbtiq/#anchor3367362

(3) https://diskriminierungsschutz.uni-halle.de/lgbtiq/#anchor3225637

(4) Erfahrungsberichte sind hier zu finden:  
https://www.reddit.com/r/germantrans/comments/uruu4a/best_of_dumme_fragen_die_ich_f%C3%BCr_mein_tsg/

Erfahrungsberichte und Hintergründe in der Doku „Ab Heute“: https://www.abheute-doku.com/

(5) Rechtliche Gutachten:

    Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Rechtliche Einschätzung – Verwendung des gewählten Namens von trans*Studierenden an Hochschulen unabhängig von einer amtlichen  Namensänderung http://ag-trans-hopo.org/Materialsammlung/Material_Rechtliches/7.1%20Rechtliche%20Einschaetzung%20(ADS).pdf 

   Prof.in Dr.in Ulrike Lembke und Dr. Alexander Tischbirek der juristischen Fakultät der Humboldt Universität: Kurzgutachten zum rechtlichen Spielraum der Hochschulen bei der Verwendung des gewählten Namens inter- und transgeschlechtlicher Studierender im Vorfeld der amtlichen Namensänderung https://www.rewi.hu-berlin.de/de/lf/ls/lbk/Gutachten.pdf 

   Dr. jur. Louis Kasten für die Universität Kassel (2019): Juristisches Kurzgutachten – „Bedeutung der ‚Dritten Option‘ in der Universität – Abbau von Diskriminierungen nicht-binärer und binärer inter- und transgeschlechtlicher Personen“ http://ag-trans-hopo.org/Materialsammlung/Material_Rechtliches/Gutachten_3._Geschlechtsoption_UniK_2019.pdf

(6) https://www.frag-einen-anwalt.de/Nutzung-des-neuen-Namens-vor-der-Namensaenderung-nach-TSG–f278986.html

(7) https://bukof.de/wp-content/uploads/22-01-25-bukof-Handlungsempfehlungen-Geschlechtervielfalt-an-Hochschulen_komplett_barrierearm.pdf